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Ein Leben in Freiheit

Am Tag seiner Ankunft, direkt als Herr Mirza* aus dem Bus steigt, spreche ich ihn an, gebe ihm unseren Flyer und erkläre, was wir machen. Drei Tage später sitzt er bei mir in der Beratung. Ein allein reisender junger Mann aus dem Iran. In Griechenland wurden von ihm Fingerabdrücke genommen, das heißt laut Dublin-III-Verordnung wäre Griechenland für sein Asylverfahren zuständig.  Er sucht immer wieder die Beratung auf und bereitet sich mit mir zusammen auf die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor. Er schreibt seine Geschichte auf und wir gehen sie zusammen durch.

Als Homosexueller war Herr Mirza im Iran immer wieder in Konflikt mit Sicherheitsbeamten und der „Sittenpolizei“ gekommen. Auch seine Familie tolerierte seine sexuelle Orientierung nicht. Nur seine Mutter unterstützte ihn unter der Hand, jedoch ohne seine Orientierung wahrhaben zu wollen. Als die Situation nicht mehr aushaltbar war, machte er sich auf den Weg nach Europa. Er kam in Griechenland an, wurde dort registriert und bekam eine Unterkunft zugewiesen. Auf dem Weg nach Hause wurde er eines Abends von einigen Männern im Park misshandelt. Als er zur Polizei ging, um das anzuzeigen, wurde er nur ausgelacht und erkannte dort einen Mann wieder, der ihn zuvor schon sexuell belästigt hatte. Auch ein Transfer in eine andere Unterkunft wurde ihm nicht ermöglicht.

Hier in Deutschland erzählt Herr Mirza seine Geschichte bei der Anhörung im BAMF. Nach der Anhörung wird er in eine ZUE (die Anschlussunterbringung nach der Erstaufnahme) für besonders vulnerable Personen transferiert, die ich für ihn beantragt habe.

Drei Monate nach seiner Anhörung, also verhältnismäßig schnell, bekommt Herr Mirza schon seinen Bescheid: keinen Dublinbescheid, sondern eine Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft! Also den besten Status, den man neben der Asylanerkennung zugesprochen bekommen kann. Das BAMF hat von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht und davon abgesehen, ihn wieder nach Griechenland abzuschieben.

Als nächsten Schritt darf er aus der Unterkunft ausziehen. Jedoch dürfen anerkannte Geflüchtete sich auch nach Abschluss des Asylverfahrens den Wohnort nicht frei auswählen, da für eine dreijährige Wohnsitzauflage gilt. Herr Mirza wurde einem Dorf mit keinerlei Anbindung für LGBTIQ*-Personen zugewiesen. Gemeinsam mit der Aidshilfe Essen, an die Herr Mirza auch angebunden ist, können wir erreichen, dass diese Wohnsitzauflage geändert wird und er sich in fünf verschiedenen Städten nach einer Wohnung umschauen darf. Wenn er in der nächsten Zeit dort eine Wohnung auftut, darf er dorthin umziehen und kann dann hoffentlich ein freies, selbstbestimmtes Leben aufbauen.

*: der Name wurde zum Schutz der Person geändert.

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