Skip navigation

"Auf Lesbos tobt ein rassitischer Mob"

Unser Redebeitrag bei der Kundgebung "Defend Solidarity! - Menschenrechte statt Tränengas" am 7. März 2020

Auf Lesbos tobt ein rassistischer Mob. Er bedroht Menschen, greift sie an, schüchtert sie ein. Mit roher Gewalt. Auch in Deutschland werden beinahe täglich Geflüchtete und die Lager, in denen sie einkaserniert sind, von Rechtsradikalen angegriffen und bedroht. Ähnlich wie in Deutschland knickt auch der griechische Staat vor rechter Gewalt ein. Anstatt die Geflüchteten zu schützen, setzt man einen Monat das Asylrecht aus und geht mit Wasserwerfern, Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition gegen Schutzsuchende vor. Diejenigen, die es nach Griechenland schaffen, werden eingeknastet und ohne Asylverfahren in die Türkei abgeschoben. Ein klarer Verstoß gegen das Refoulement-Verbot.

Das Non-Refoulement-Prinzip verbietet das Zurückdrängen von Geflüchteten in ihr Herkunftsland oder einen Drittstaat, wenn ihnen dort Gefahr für Leib und Leben droht. Geflüchtete sind in der Türkei von rassistischer Verfolgung und Ausgrenzung bedroht. Es gab in den letzten Monaten etliche Berichte über Abschiebungen aus der Türkei nach Syrien. Der griechische Staat bricht ganz offen mit der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er Geflüchtete an der Grenze durch sogenannte pushbacks in die Türkei abschiebt. Er verstößt auch gegen Artikel 32 der GFK, wenn er Geflüchtete abschiebt, ohne vorher ein Asylverfahren durchzuführen. Die 1-monatige Aussetzung der Asylverfahren ist ein Affront gegen das europäische Asylrecht.

Doch das scheint die EU nicht weiter zu stören. Anstatt die griechische Regierung an rechtsstaatliche Prinzipien zu erinnern und mit Sanktionen zu drohen, schickt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Frontex-Truppen, um die gewalttätige Migrationsabwehr der Rechtsradikalen und der griechischen Grenzpolizei zu unterstützen. Wenn es um Abschottung geht, ist die Solidarität der europäischen Staaten grenzenlos. Binnen weniger Tage wurden Gelder bereitgestellt, Grenzschützer*innen, Schiffe, Hubschrauber und Fahrzeuge nach Griechenland entsandt. Deutsche Politiker*innen versprechen unisono rasche Unterstützung. Wenn hingegen Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken, werden staatliche und transnationale Rettungsprogramme gestrichen, monatelang diskutiert, gestritten und nach einem Minimalkonsens gesucht. Einmal mehr zeigt sich, wie menschenfeindlich die Asylpolitik der EU und der einzelnen Mitgliedsstaaten ist. Basale Menschenrechte, transnationale Rechtskonventionen und Gesetze sind ganz offensichtlich nichts mehr wert, wenn es darum geht, die Festung Europa abzuschotten.

Eigentlich müsste ich schließen mit den üblichen Appellen an die Bundesregierung und die EU, müsste schnelle europäische Lösungen fordern. Der Bundestag hat jedoch bereits die Aufnahme von ein paar Tausend Schutzbedürftigen abgelehnt. Angesichts der europäischen Allianz der Flüchtlingsabwehr und der offensichtlichen Nichtigkeit internationalen Rechts, scheint es mir zynischer denn je, an einen Staat oder einen Staatenbund zu appellieren, der alles, aber auch wirklich alles tut, um Geflüchtete daran zu hindern, sich hier in Europa in Sicherheit zu bringen, dem es gleichgültig ist, wenn Menschen im Meer ertrinken und Rechtsradikale an den EU-Außengrenzen den Grenzschutz übernehmen.

Ich bin es leid, immer und immer wieder an diejenigen zu appellieren, die letztlich die Verantwortung dafür tragen, dass an den Außengrenzen auf Geflüchtete geschossen wird. Ich ziehe es vor, meine Solidarität mit den Betroffenen von staatlicher und nichtstaatlicher rassistischer Gewalt zu bekunden. Meine Solidarität gilt außerdem humanitären Initiativen und antifaschistischen Kräften in Griechenland und auf Lesbos. Ich hoffe, dass diese der rechtsextremen Gewalt etwas entgegensetzen können. Außerdem gehen solidarische Grüße raus an Initiativen wie Cars Of Hope, die von Deutschland ausgehend in Griechenland Solidarität praktisch werden lassen und sich dabei nicht auf staatliche Strukturen verlassen.

Es lohnt sich, weiter für rechtsstaatliche Asylverfahren und ein liberales Migrationsrecht zu kämpfen. Das machen wir bei ProAsyl tagtäglich. Doch uns muss auch klar sein, dass rechtsstaatliche Verfahren und demokratisch legitimierte Gewaltakte mitunter genauso menschenfeindlich sein können, wie prügelnde Faschisten. Also: Lasst uns praktische Solidarität leben und weiter für eine Gesellschaft kämpfen, in der man ohne Angst verschieden sein kann. Wir müssen den Rechtsstaat verteidigen, dürfen uns aber nicht blind auf ihn verlassen!

Retour